Künstlerin Matilde Gattoni

Togo I 2016

Togbe Agbavi Koffi, 60, ist das Oberhaupt des Dorfes Agbavi. Als er ein Kind war, stand sein Haus in einem Gebiet, das heute 1,5 km im Meer liegt. "Früher war die Erosion ein saisonales Ereignis. Jetzt dringt das Meer das ganze Jahr über vor", erklärt er. "Es hat unsere Dörfer verwüstet, und viele unserer Bewohner haben bereits das Land verlassen".

Als unmittelbare Folge der globalen Erwärmung und des Anstiegs des Meeresspiegels erodieren mehr als 7 000 km Küstenlinie von Mauretanien bis Kamerun mit einer Geschwindigkeit von bis zu 36 Metern pro Jahr, was das Leben von zehn Millionen Menschen in dreizehn Ländern beeinträchtigt. Während sich die lokalen Regierungen bemühen, Großstädte und Industriekomplexe zu retten, werden Tausende von Dörfern im Stich gelassen, wodurch eine Jahrtausende alte Lebensweise an den Rand des Aussterbens gedrängt wird.

Die Küsten Ghanas und Togos, die einst blühende Fischersiedlungen beherbergten, sind heute eine Aneinanderreihung bröckelnder Gebäude und Geisterstädte, die in kaum mehr als 20 Jahren vom Meer verschluckt wurden. Der Klimawandel vernichtet nicht nur Häuser, Kirchen und Plantagen, sondern auch die Lebensgrundlage, das kulturelle Erbe und das soziale Gefüge ganzer Gemeinschaften - mit gefährlichen Folgen für die Zukunft des gesamten Kontinents.

Die steigenden Temperaturen haben dazu geführt, dass die Fischbestände in kühlere, von den Küsten entfernte Gewässer abwandern, was die lokale Fischereiindustrie aushungert, während Erosion und Versalzung die Landwirtschaft beeinträchtigen, indem sie die Menge an Ackerland verringern und die Süßwasserreserven verseuchen. Ohne ihre Lebensgrundlage und ohne Hoffnung für die Zukunft verlieren die Gemeinden ihre einfallsreichsten Menschen durch die Abwanderung. Die grassierende Arbeitslosigkeit treibt den Drogen- und Alkoholkonsum in die Höhe, so dass die einzigen lukrativen Aktivitäten von Verbrechersyndikaten angeboten werden, die im Kraftstoffschmuggel und im illegalen Sandabbau tätig sind.

Die Probleme, die Westafrika derzeit heimsuchen, sind kein Einzelfall, sondern ein Vorbote dessen, was die Menschheit erleben wird, wenn es uns nicht gelingt, ein tragfähiges Gleichgewicht zwischen Fortschritt, sozialer Ungleichheit und Umweltschutz zu finden. In einer Welt, in der Fortschritt gleichbedeutend mit Verstädterung und Konsumdenken ist, wird das Leben traditioneller Gemeinschaften ständig auf dem Altar der Moderne geopfert, selbst wenn der zunehmende Druck auf die natürlichen Ressourcen ein Überdenken unserer Prioritäten erfordern sollte. Dieses Rätsel wird zum drängendsten Problem unserer Zeit.